Die Abstellanlage am Graftenhaus und Parkplätze in der Innenstadt (Teil 2)
Nach zwei Jahren coronabedingtem Verzug soll es jetzt endlich mit der Umsetzung des Radfahrplans losgehen. Die Verwaltung hat den ersten größeren Schritt zur Umsetzung vorgestellt: Eine überdachte Fahrradabstellanlage mit Servicestation am Graftenhaus.
Was ist geplant?
Vor dem Graftenhaus soll eine überdachte Radabstellanlage mit mindestens 20 Plätzen entstehen. Die genaue Umsetzung ist noch offen. Vermutlich wird es eine offene, luftige Bauweise geben, ein begrüntes Dach ist als Möglichkeit geplant. Dazu kommt eine Servicestation mit Luftpumpe, Werkzeug, etc. Anschließbare Fächer mit der Möglichkeit den Akku zu laden, könnten das Angebot abrunden.
Standort
In der ursprünglichen Planung von vor einem Jahr war der Standort vor dem Graftenhaus schon einmal vorgesehen. Nach Gegenstimmen aus dem (damals noch mit anderen Mehrheiten versehenen zuständigen Ausschuss) wurde die Platzwahl geändert und auf den Theodor-Pekol-Platz verlegt. Ein denkbar schlechter Standort, weil dies ein reiner Pkw- und Busparkplatz ist, der zwar innenstadtnah ist, aber für Radfahrende trotzdem zu weit weg. Die wollen ganz einfach näher am Ziel parken und hätten die Anlage nicht genutzt. Der Platz vor dem Graftenhaus ist da einfach durch seine zentrale Lage deutlich besser geeignet. Da dieser Platz nach den Vorschlägen des Rahmenplans Wallanlagen mittelfristig sowieso autofrei werden soll, wäre dies ein guter erster Schritt.
Vor der Grünfläche des Frl.-Maria-Denkmals am Graftenhaus sollen sechs Parkplätze umgewandelt werden, nur der Behindertenparkplatz bleibt. Im Gegenzug werden die Fahrradbügel hinter dem Graftenhaus wieder zurückgebaut, so dass dort wieder zwei Parkplätze entstehen. Netto geht es also um vier Parkplätze.
Kosten
Die im Raum stehenden Kosten von 100.000 Euro sind eine erste Schätzung. Vermutlich ist diese Schätzung zu hoch, aber das wird sich in der nun folgenden Planungsphase zeigen. Ohnehin wird das Projekt vom Programm „Perspektive Innenstadt“ gefördert, das 90% der Kosten übernimmt. Wir reden hier also von 10.000 Euro Kosten für die Stadt. Das ist für so eine Anlage ein Schnäppchen.
Bewertung
Der Nutzen eines solchen Premium-Parkplatzes ist groß und der geplante Standort ist sehr gut geeignet: Zentral gelegen, direkt an der Tourist-Info und somit für Touristen und Einheimische gut erreichbar und nutzbar. Durch die aktuellen Fördermöglichkeiten ist die Gelegenheit auch günstig. Das Förderprogramm „Perspektive Innenstadt“ wurde dabei für genau diese Projekte aufgelegt: Die Innenstädte fit für die Zukunft machen. Zukunft heißt in dem Fall eben Verkehrswende, also weg vom motorisierten Individualverkehr mit dem eigenen Auto hin zu zukunftsfähigeren Mobilitätsformen. Und da der Platz in der Stadt eben endlich (und oftmals schon verteilt) ist, kann das eben nur über die gerechtere Umverteilung der vorhandenen Flächen funktionieren. In diesem Fall sind es netto vier Parkplätze die am Ende überplant werden. Parkplätze, die nach der Aussage von Stadtplanerinnen auf dieser Fläche sowieso irgendwann zurückgebaut werden sollten.
Generell müssen wir uns von überholten Denkweisen verabschieden. Die Aussage eines Ex-Ratsherren, der auf den sozialen Medien schrieb: „Unsere Stadt lebt vom Flair einer zugeparkten Innenstadt“, steht für eine Stadt- und Verkehrsplanung aus den 60er-Jahren. Ebenso die Annahme, dass nur Autofahrer Kunden seien, die sich hartnäckig hält, aber durch ständige Wiederholung eben nicht richtiger wird. Ja, wir brauchen natürlich Parkflächen in der Stadt, aber eben nicht auf unserem zentralen Platz, sondern eher in zweiter Reihe. Dort, wo sie auch heute schon zahlreich vorhanden sind: Pekol-Platz, Kostverloren, Grüner Garten, Blaue Straße, Schillerstraße, usw. Eine autoarme Gestaltung heißt eben nicht, dass es dort dann auch menschenarm ist. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht umsonst erfreuen sich Fußgängerzonen vieler Besucher.
Bekannt ist auch folgendes: Wer Parkplätze hat, der hat auch den Such- und Parkverkehr und der kann mitunter deutlich stärker sein als die Anzahl der Parkplätze. Wer einen Parkplatz sucht, der probiert es erstmal in direkter Zielnähe, wenn dort Parkplätze vorhanden sind. Erst dann weicht er auf weiter entlegene Parkplätze aus. Und auch bei Parkplätzen gilt das Prinzip des induzierten Bedarfs. Grob gesagt: Ein neuer Parkplatz schafft die Nachfrage nach diesem, mit allen Begleiterscheinungen.
Fazit
Ein kleiner, aber wichtiger Baustein auf dem Weg in eine fahrradfreundlichere Stadt mit zwei positiven Effekten: Die Anzahl der Auto-Parkplätze vor dem Graftenhaus wird reduziert, die Zahl der Fahrrad-Parkplätze steigt an. Übrigens: Eine Überdachung von Fahrradständern ist auch keine neue Erfindung, sondern seit Jahren vor Schulen und Supermärkten Standard.
Hier geht es zu Teil 1 vom 06.05.2021, als das Thema bereits schon einmal in den Ratsgremien behandelt wurde.
Über den Autor
von Oliver de Neidels
Mein Name ist Oliver de Neidels, ich bin 1979 geboren und wohne seitdem in der friesischen Kleinstadt Jever. Ich bin selbständig und habe ein kleines Unternehmen, das Webseiten wie diese hier baut.
Außerdem engagiere ich mich in der Lokalpolitik und bin Mitglied des Jeverschen Stadtrats. Meine Lieblingsthemen sind die Verkehrswende im kleinstädtischen Maßstab und der Umbau zur „Stadt von Morgen“.