Tempo 30 mit Herz
Bild: Oliver de Neidels

Jever ist Initiative „Lebenswerte Städte“ beigetreten

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Die Stadt Jever ist Mitte Mai der Städteinitiative „Lebenswerte Städte“ beigetreten. Die Initiative, der mittlerweile knapp 200 Städte und Gemeinden mit fast 20 Millionen Einwohnern beigetreten sind, setzt sich für mehr Handlungsspielräume der Kommunen bei der Ausweisung von Tempo 30 auch auf Haupt- und Verbindungsstraßen aus. Was bedeutet das für Jever?

199 Mitglieder bei Lebenswerte Städte
Schon 199 Kommunen mit knapp 20 Millionen Einwohnern in Deutschland sind der Initiative beigetreten. Bei vielen ist der Mitgliedsprozess noch nicht abgeschlossen. Der Druck auf das Bundesverkehrsministerium wächst also. Bild: Agora Verkehrswende

Was ist das für eine Initiative?

Die Initiative „Lebenswerte Städte für angemessene Geschwindigkeiten“ wurde im Juli 2021 von den Städten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm gegründet. Ein Jahr später haben sich mittlerweile knapp 200 Städte, in denen etwa 20 Millionen Menschen wohnen, angeschlossen. Die Initiative setzt sich dafür ein, dass die Städte und Gemeinden mehr Rechte bekommen, vor Ort eine Geschwindigkeitsreduzierung z.B. auch von Hauptstraßen anzuordnen. Die Kommunen kennen ihre Verkehrssituation und ihre Straßen schließlich am besten und können den Verkehr besser ganzheitlich planen. Ein oft genanntes Ziel ist es, dass es weiterhin Tempo 50 auf gut ausgebauten Hauptstraßen geben soll, wenn diese Straßen über vernünftige Geh- und Radwege verfügen.

Aber eine Temporeduzierung geht doch jetzt auch schon, oder?

Wenn bisher irgendwo die Geschwindigkeit von 50 auf 30 reduziert werden soll, ist das immer mit einem langwierigen Prozess verbunden. Die einfachste Möglichkeit um innerorts Tempo 30 zu bekommen, ist der Neubau eines Kindergartens. Das ist auf Dauer aber recht kostspielig. In vielen Fällen verbieten die vorhandenen Gesetze und Regelungen eine Ausweisung von Geschwindigkeiten von weniger als 50 km/h.

Tempo 30 vs. Tempo 50

Die Vorteile von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts werden mittlerweile nicht mehr ernsthaft bestritten: Die Straßen werden durch die deutlich kürzeren Anhaltewege sicherer. Auf Fahrbahnen, die sich Autos und Fahrräder teilen müssen, wird durch die geringeren Differenzgeschwindigkeiten ein Miteinander erleichtert. Straßen werden deutlich leiser und die Luft wird besser. Straßen werden nicht mehr nur auf ihre Funktion als Verkehrsweg für Kraftfahrzeuge reduziert, sondern werden wieder multifunktionale Orte. Es wohnen und leben dort auch Menschen und der Verkehr besteht auch aus Personen außerhalb von Autos, die sich sicher bewegen und sich im Umfeld der Straße aufhalten wollen.

Dadurch, dass geringere Geschwindigkeiten gefahren werden, können die Fahrbahnen auch deutlich schmaler werden und können so Raum für andere Verwendungen zurück (sichere Wege für Fuß- und Radverkehr, Aufenthaltsfunktion, Grünstreifen, usw.).

In vielen Städten und insbesondere in einer kompakten Stadt wie Jever sind die Wege auch nicht so lang, dass sich eine deutliche Verlängerung der Fahrtzeiten ergibt. Meist ist der gefühlte Zeitverlust sehr viel höher als er denn tatsächlich ist.

Was kann das für Jever bedeuten?

Für Jever soll das aber nicht bedeuten, dass auf jeder Straße zwingend Tempo 30 eingeführt werden soll. Wenn bestimmte Vorraussetzungen vorliegen und die Straße entsprechend gut ausgebaut ist, dann kann durchaus weiterhin 50 gefahren werden. Solange es vernünftige Geh- und Radwege gibt, steht der Ausweisung einer höheren Geschwindigkeit nichts im Wege. Sobald sich aber z.B. Radfahrende die Fahrbahn mit Autos teilen sollen, ist die Differenzgeschwindigkeit der beiden Verkehrsarten zu hoch und es kommt zu Konflikten.

Für eine dauerhafte Ausweisung von Tempo 30 bieten sich die Anton-Günther-Straße, die Straßenzüge Ziegelhofstraße/Adolf-Ahlers-Straße und Lindenallee/Sophienstraße/Albanistraße/Schlossstraße und die Ortsdurchfahrt Cleverns an. An diesen Straßen lassen sich schlicht und einfach keine eigenständigen Fahrradwege in die vorhandene Straßenbreite einbauen. Es kann also nur über ein Miteinander auf der Fahrbahn funktionieren.

Für andere Straßen, wie die Achse zwischen Aldi und Famila oder die Schillerstraße ist die Ausweisung von Tempo 30 zumindest für die Übergangszeit zu überlegen, bis die geplanten Radwege aus dem Radfahrplan umgesetzt wurden. Solange müssen sich Radfahrende hier im Verkehr mit Kraftfahrzeugen bewegen und das Tempo sollte entsprechend angeglichen werden.

Direkte Auswirkungen hat der kostenfreie Beitritt zur Initiative erstmal nicht. Dadurch, dass viele Kommunen beitreten, soll Druck auf das Bundesverkehrsministerium erzeugt werden, damit das Straßenrecht entsprechend geändert wird. Bei einem entsprechenden Modellversuch könnte die Stadt allerdings teilnehmen. Sollte den Kommunen in Zukunft also die Möglichkeit eingeräumt werden, dass sie selber über die Tempolimits in ihren Orten entscheiden können, wäre das ein kleiner, aber wichtiger Baustein auch für den Radverkehr.

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Über den Autor

von Oliver de Neidels

Mein Name ist Oliver de Neidels, ich bin 1979 geboren und wohne seitdem in der friesischen Kleinstadt Jever. Ich bin selbständig und habe ein kleines Unternehmen, das Webseiten wie diese hier baut.

Außerdem engagiere ich mich in der Lokalpolitik und bin Mitglied des Jeverschen Stadtrats. Meine Lieblingsthemen sind die Verkehrswende im kleinstädtischen Maßstab und der Umbau zur „Stadt von Morgen“.