Angriff der selbstfahrenden Autos
Bild: Jeversches Wochenblatt, 23.01.23

Angriff der selbstfahrenden Autos

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„Transporter tötet Radfahrer“. „Auto erfasst Radfahrerin“. „In Varel ist (…) eine zwölf Jahre alte Radfahrerin von einem Auto angefahren worden.“ Drei Meldungen in meiner Lieblingstageszeitung vom selben Tag und drei Mal der gleiche Tenor: Fahrzeuge sind ohne Fahrer unterwegs und in Unfälle verwickelt. Haben wir ein Problem mit selbstfahrenden Autos?

Transporter büxt seinem Besitzer aus?

Transporter tötet Radfahrer
Ein 59 Jahre alter Radfahrer ist bei einem Verkehrsunfall gestorben. Er wurde in der Nähe von Hannover von einem Transporter eines 45-Jährigen angefahren.“

Es liest sich, als wäre der Transporter dem 45-Jährigen abgehauen. War er der Fahrer oder ist das Fahrzeug gar alleine gefahren? Ist der 45-Jährige als Halter des Fahrzeugs überfordert, wenn der Transporter selber tödliche Unfälle verursacht?

Daten werden erfasst – Menschen werden angefahren

Auto erfasst Radfahrerin
Eine Radfahrerin ist am Samstagnachmittag in Jever leicht verletzt worden, als sie von einem Auto angefahren wurde. (…) Bei dem Zusammenstoß mit dem Wagen zog sich die Frau leichte Verletzungen an der Schulter zu.“

Das Auto hat die Radfahrerin selbstständig erfasst – wie einen Datensatz? Wenn das Auto so klug ist, dass es offenbar ohne Fahrer fahren kann, warum kann es dann nicht auch alleine bremsen?

Mädchen beschädigt Auto, indem sie sich anfahren lässt

Zwölfjährige in Varel auf B 437 angefahren
(…) in Varel ist am Freitag gegen 8.10 Uhr eine zwölf Jahre alte Radfahrerin von einem Auto angefahren worden. (…) Die Zwölfjährige wollte die Straße in Richtung Kirche überqueren und hat das Auto offenbar übersehen. Der Pkw wurde beschädigt.“

Das Auto war alleine unterwegs und konnte deswegen nicht bremsen, so dass es von der Zwölfjährigen beschädigt wurde. Zum Glück ist sie noch nicht strafmündig. Ist es eigentlich noch so, dass Kinder lt. StVO besonderen Schutz genießen? Hoffentlich hat das Mädchen das Auto nicht zu stark beschädigt.

Angriff der selbstfahrenden Autos
Ausschnitte aus dem Jeverschen Wochenblatt vom 23.01.2023 Bild: Jeversches Wochenblatt, 23.01.23

Haben wir also ein Problem mit selbstfahrenden Autos?

Nein, natürlich nicht. In diesen Beispielen, die so oder ähnlich jeden Tag in vielen Zeitungen und Polizeiberichten zu lesen sind, wurden alle Fahrzeuge von Menschen gesteuert. Ungeachtet der Schuldfrage (die sich aus den kurzen Artikeln gar nicht herauslesen lässt) wird die motorisierte Unfallpartei auf ihr Fahrzeug reduziert – und selber oft sogar ganz verschwiegen. Als aktiv handelnde Personen sind nur Radfahrer*innen zu erkennen. Die Fahrer*innen der Kraftfahrzeuge verschwinden hinter der Windschutzscheibe der Anonymität. Sie werden zu unbeteiligten Dritten, deren Fahrzeuge sich selbstständig in Kollisionen verwickeln ohne die Möglichkeit der Einflussnahme. Unfälle werden zu unvermeidbaren Ereignissen.

Unvermeidbar wie andere Unfälle, bei denen das Opfer „übersehen“ wurde oder „unvermittelt auf die Fahrbahn trat“. Die Entschuldigung für die Kollision wird schon mitgeliefert. Man hat das Gefühl, dass der Textverfasser auf dem Beifahrersitz mitgefahren ist.

„Transporter tötet Fahrrad“ wäre eine ziemlich absurde Schlagzeile – und ist doch nicht so weit entfernt von der Realität.

Mir geht es hier im Übrigen nicht darum, jemanden für die kurzen Meldungen anzuprangern, die so oder ähnlich jeden Tag mehrfach geschrieben werden müssen. Vielmehr möchte ich dafür sensibilisieren, wie solche Formulierungen wahrgenommen werden können. Ich möchte einen Denkanstoß geben, auch bei solch beiläufigen Kurzmitteilungen, einmal über die Wirkung solcher eingeschliffenen Standardformulierungen nachzudenken.

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Über den Autor

von Oliver de Neidels

Mein Name ist Oliver de Neidels, ich bin 1979 geboren und wohne seitdem in der friesischen Kleinstadt Jever. Ich bin selbständig und habe ein kleines Unternehmen, das Webseiten wie diese hier baut.

Außerdem engagiere ich mich in der Lokalpolitik und bin Mitglied des Jeverschen Stadtrats. Meine Lieblingsthemen sind die Verkehrswende im kleinstädtischen Maßstab und der Umbau zur „Stadt von Morgen“.