Elisabethufer mit Piktogrammen und Schild
Bild: Oliver de Neidels

Fahrrad-Piktogramme auf Jevers Hauptstraßen

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Farbe ist keine Infrastruktur. Dennoch sind die Fahrradpiktogramme, die in diesem Jahr auf den Hauptstraßen der Stadt aufgebracht werden, eine Verbesserung der Situation für die Radfahrenden.

Die Rechtslage ist eindeutig: Seit 1998 ist die Radwegbenutzungspflicht aufgehoben. Fahrräder sind als Fahrzeuge mit wenigen Ausnahmen Autos gleichgestellt. Radwege müssen nur benutzt werden, wenn ein blaues Fahrrad-Schild die Nutzung vorschreibt. Und auch dann nur, wenn die Nutzung zumutbar ist. Der Weg muss sauber und ohne Schlaglöcher, Falschparker oder Hindernisse wie Mülltonnen sein. Die Nutzung der Fahrbahn ist also die Regel. Wenn Angebotsradwege vorhanden sind, dürfen diese genutzt werden. Fußwege, mit dem Zusatzschild „Radverkehr frei“ dürfen ebenfalls befahren werden, allerdings nur mit Schrittgeschwindigkeit.

Wie ist die Situation?

Für Jevers Hauptstraßen bedeutet das: Nur im Straßenzug Bahnhofstraße/Schützenhofstraße/Rahrdumer Straße gibt es überhaupt einen Radweg. Der ist allerdings in denkbar schlechtem Zustand. In naher Zukunft sollen dank Initiative der Grünen die schlimmsten Schlaglöcher und Wurzelaufbrüche behoben werden. Der Weg braucht aber eigentlich eine Komplettsanierung um wieder nutzbar zu werden.

In der Anton-Günther-Straße ist die Mitnutzung des Gehwegs nicht erlaubt. Hier bleibt für alle Radfahrenden ab 11 Jahren nur die Fahrbahn als einzige Option. Im Umfeld von zwei Schulen keine gute Lösung. Zumindest eine Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 wird hier demnächst umgesetzt.

In allen anderen Straßen, also Mühlenstraße, Von-Thünen-Ufer, Elisabethufer, Wittmunder Straße, Schillerstraße und Wangerländische Straße, gibt es nur Gehwege, die mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden dürfen. Hier soll auf der Fahrbahn gefahren werden.

Überall in Jever darf mit dem Rad auf der Fahrbahn gefahren werden. An vielen Stellen ist das sogar explizit so gewollt.

Benutzungspflichtige Radwege
Nur diese Zeichen markieren Wege mit Benutzungspflicht: Radweg (Zeichen 237), Getrennter Geh- und Radweg (Zeichen 241) und Gemeinsamer Geh- und Radweg (Zeichen 240)
Angebotsradwege
Angebotsradwege können mit Piktogrammen oder einem alleinstehenden Schild „Radverkehr frei” gekennzeichnet werden – müssen es aber nicht. In Jever gibt es beide Varianten nicht.

Infobox Radwegbenutzungspflicht

Welche Radwege gibt es – und muss ich sie nutzen?

Radfahrer*innen müssen oft als Fährtenleser unterwegs sein. Während die Wege für den Autoverkehr klar und intuitiv erkennbar sind, muss man auf dem Rad an unbekannten Orten manchmal stehen bleiben und schauen, wo man überhaupt fahren darf oder soll. Manchmal sind das „sollen” und das „dürfen” auch ganz verschiedene Dinge. Markierungen auf der Straße schicken einen in Bereiche, in denen man eigentlich nichts zu suchen hat. Welche Arten von Radwegen gibt es überhaupt?

Grundsätzlichlich gilt: Auf der Fahrbahn fahren ist lt. StVO die erste Option.

Benutzungspflichtige Radwege sind mit einem blauen Schild mit weißem Fahrrad gekennzeichnet. Hier muss mit dem Rad gefahren werden, wenn der Weg zumutbar ist. Er muss also auch wirklich benutzbar sein, also ausreichend breit, sauber und frei von Schlaglöchern, Blätterhaufen, Mülltonnen oder Falschparkern.

Nicht-benutzungspflichtige Radwege (sog. Angebotsradwege) sind Radwege, die genutzt werden dürfen, aber nicht müssen. Wenn die Wege gut genug sind, werden sie in der Regel freiwillig genutzt. Zwang ist also gar nicht nötig. Solche Wege sind aber manchmal schwer zu erkennen, weil es keine einheitlichen Vorgaben gibt. Manchmal steht dort ein alleinstehendes Schild “Fahrrad frei” (ohne Fußgängerschild). Grob gesagt: Wenn es einen Weg gibt, der klar vom Fußweg getrennt ist und nach einem Radweg aussieht, könnte das ein Angebotsradweg sein. Ich fahre im Zweifel auf der Fahrbahn, denn bei der nächsten Einmündung könnte es schon wieder ganz anders sein.

Gehwege sind keine Radwege. Auch ein Schild mit „Fahrrad frei” macht aus einem Gehweg keinen Radweg. Wenn der Weg genutzt wird, dann darf das nur mit Schrittgeschwindigkeit geschehen, was diese Wege für normalschnelle Radfahrende eigentlich unbenutzbar macht. Sie werden dennoch oft genutzt, um Stress mit Autos zu vermeiden.

Soweit die Theorie. Wer regelmäßig mit dem Rad unterwegs ist weiss, dass es in der Praxis anders zugeht. Wer auf der Fahrbahn fährt, muss oftmals ein dickes Fell haben. Viele Autofahrende kennen – trotz Führerschein – die Verkehrsregeln nicht oder dulden einfach keine Radfahrende auf der Fahrbahn. Es kommt häufig zu Konflikten mit zu eng überholenden Autos (teilweise trotz Gegenverkehr). Es wird gehupt, gedrängelt, geschnitten und gepöbelt. Teilweise werden sogar bewusst Radfahrende abgedrängt („Punishment Pass“, also „Bestrafungsüberholen“).

Unter diesen Umständen fahren nur mutige Radfahrer*innen regelkonform Rad. Die anderen weichen auf die Gehwege aus und sind dort teilweise viel zu schnell unterwegs und kommen in Konflikte mit Fußgänger*innen. Der dringend benötigten Schub für mehr Radverkehr ist so natürlich nur schwer zu schaffen.

Piktogrammkette am Von-Thünen-Ufer
So könnte es aussehen: Das Von-Thünen-Ufer hat einen viel zu schmalen Gehweg, der auch noch für Fahrräder freigegeben ist. Piktogramme und Hinweisschilder helfen, die Rechtslage zu verdeutlichen. Bild: Oliver de Neidels

Wie helfen Piktogrammketten?

Der Goldstandard sind eigenständige Radwege nach niederländischer oder kopenhagener Bauart. Diese sind für Jever lt. Radfahrplan auch angedacht, können aber nicht über Nacht gebaut werden. Um die Situation in der Zwischenzeit zu verbessern und Autofahrende aktiv auf die Rechtslage hinzuweisen, haben sich die Fahrradpiktogramme als hilfreich erwiesen. Den Lenker*innen von Kraftfahrzeugen wird so regelmäßig gezeigt: Fahrräder gehören auf die Fahrbahn.

Auch in Studien ist nachgewiesen: Der Überholabstand vergrößert sich durch Piktogrammketten, die Unfallrate geht zurück, Konflikte zwischen Auto- und Radfahrenden werden weniger und das allgemeine Sicherheitsempfinden wird gesteigert.

Zusätzlich sollen Hinweisschilder mit der Aufschrift „Radfahren auf der Fahrbahn erlaubt” an diesen Straßen den Effekt noch verstärken.

In Jever haben wir noch die Besonderheit, dass im Sommer viele Tourist*innen mit ihren Autos auf den Straßen der Stadt unterwegs sind. Während die Jeveraner*innen sich mittlerweile fast alle an Fahrräder auf der Fahrbahn gewöhnt haben, kommen viele Touris aus Orten, in denen die Verkehrswende-Uhren noch ein wenig langsamer ticken oder aus Orten, in denen es eigenständige Radwege gibt. Auch wenn sie die Verkehrsregeln kennen müssten – sie haben ja schließlich einen Führerschein, sind sie aus der Erfahrung von zu Hause noch nicht an Fahrräder auf der Fahrbahn gewöhnt. Die Videos vom „Unsichtbaren Christian” aus Carolinensiel zeigen eindrucksvoll, dass manche Autofahrer*innen im Urlaub auch gerne ihr Gehirn ganz zu Hause lassen.
 

Infobox Piktogrammketten

Wo kommen die Piktogramme hin?

Die Piktogramme sollen in regelmäßigen Abständen aufgebracht werden und mindestens nach jeder Einmündung wiederholt werden. Für diese Straßen in Jever sind Piktogramme vorgesehen:

Ziegelhofstraße/Adolf-Ahlers-Straße: 24 Piktogramme

Anton-Günther-Straße: 32 Piktogramme

Wittmunder Straße (zwischen Blaue Straße und Normannenstraße): 12 Piktogramme

Mühlenstraße (zwischen Schillerstraße und Famila-Kreisel): 42 Piktogramme 

Was ist mit der Bahnhofstraße/Schützenhofstraße?

Wer gut aufgepasst hat, der vermisst die Nord-Süd-Achse (L 813/ K332), also die Wangerländische Straße, Schillerstraße, Elisabethufer, Blaue Straße, Bahnhofstraße, Schützenhofstraße und Rahrdumer Straße. Diese Straßen sind keine Stadtstraßen, sondern Landes- bzw. Kreisstraßen. Hier ist der Landkreis die Straßenverkehrsbehörde und müsste die Piktogramme anordnen. Dies ist auch unbedingt wünschenswert, um eine einheitliche Regelung zu bekommen. Ansonsten entsteht der falsche Eindruck, dass eben auf diesen Straßen das Radfahren nicht erlaubt ist und die angesprochenen Probleme verschlimmern sich noch.

Muss ich jetzt auf der Fahrbahn fahren?

Nein. Die Piktogramme sind nur Hinweise auf die geltenden Regeln und haben keine Auswirkungen. Es gibt keine Pflicht, auf der Fahrbahn zu fahren, wenn es z.B. einen Angebotsradweg gibt. Auch ein für Radfahrende freigegebener Gehweg darf weiter benutzt werden – mit Schrittgeschwindigkeit. Auf Straßen, auf denen die Piktogramme fehlen, darf bzw. muss weiterhin mit dem Rad gefahren werden. Und auch Kinder bis einschließlich 10 Jahren dürfen (bis 8 Jahren müssen) Gehwege auch ohne Radfreigabe nutzen.

Zeitplan und Kosten

Mit der Umsetzung der Piktogramme ist im Laufe des Jahres 2023 zu rechnen. Die Schilder sollen dann ebenfalls aufgestellt werden. Insgesamt sind für die Maßnahmen 12.000 Euro eingeplant, wovon 11.000 Euro auf die 110 Piktogramme und 1.000 Euro auf die Hinweisschilder entfallen. Aus Kosten-/Nutzen-Sicht also ein echtes Schnäppchen.

Fazit

Eine schnelle Lösung für ein flächendeckendes Problem – aber eben nur für die Übergangszeit. Bis es eigenständige halbwegs ordentliche Radwege an den Hauptstraßen gibt, sind die Piktogramme ein gutes Mittel um für kleines Geld mehr Sicherheit und Aufmerksamkeit für den Radverkehr zu bekommen.

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Über den Autor

von Oliver de Neidels

Mein Name ist Oliver de Neidels, ich bin 1979 geboren und wohne seitdem in der friesischen Kleinstadt Jever. Ich bin selbständig und habe ein kleines Unternehmen, das Webseiten wie diese hier baut.

Außerdem engagiere ich mich in der Lokalpolitik und bin Mitglied des Jeverschen Stadtrats. Meine Lieblingsthemen sind die Verkehrswende im kleinstädtischen Maßstab und der Umbau zur „Stadt von Morgen“.