Rückblick 2024/Ausblick 2025: Fahrradstadt Jever – Geht es wirklich los?
Jever möchte seit Jahren gerne Fahrradstadt werden, will aber irgendwie nicht so wirklich etwas dafür tun. So ist die Liste der abgearbeiteten Maßnahmen für das Jahr 2024 erschreckend kurz. Im nächsten Jahr könnte aber tatsächlich mal etwas Größeres passieren.
Kurz zusammengefasst
Was ist 2024 Positives passiert?
Förderanträge für Radvorrangroute ehem. B 210 und Abstellanlage Graftenhaus
Verkehrskonzept „Autoarme Innenstadt"
Fahrradaktionstag im Rahmen des Kiewittmarktes
Es gibt eine verantwortliche Person in der Verwaltung für das Thema Radverkehr
Was ist 2024 für den Radverkehr in Jever passiert?
Beim Rückblick auf die Maßnahmen des Jahres 2024 fällt auf: Es ist trotz Ankündigungen nicht viel passiert. Es wurden Förderanträge für die Radvorrangroute Richtung Moorwarfen und die Abstellanlage am Graftenhaus gestellt. Außerdem wurde am Radweg Schützenhofstraße/Bahnhofstraße einige Löcher und Kanten geglättet und Bordsteine an den Einmündungen abgesenkt. Die schmalen Radwege vom Kreisverkehr Upjever bis zur Blauen Straße bleiben aber eine Katastrophe mit Rumpelpflaster aus der Betonsteinzeit der 70er-Jahre. Die (gefährliche) Problematik mit den Wurzelaufbrüchen an den Bäumen ist aber leider noch nicht gelöst. Auffällig ist auch, dass gerade neue Einmündungen (z.B. Kolberger Straße) durch die Höhenunterschiede sehr unkomfortabel gebaut sind.
Zwei Lichtblicke gab es im Jahr 2024 dann doch: Einer davon war die Fertigstellung des Verkehrskonzeptes „Autoarme Innenstadt“, das viele gute Ideen und Vorschläge brachte – und sicher gut in einer verschlossenen Schublade im Rathaus verwahrt werden wird (Link zum Dokument und zu den Anlagen). In dem Konzept werden zwei Grundsatzbeschlüsse empfohlen: Planungen und Bau von Radwegen grundsätzlich nur auf Basis der ERA („Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“, der Quasi-Planungsstandard) und die Förderung des Umweltverbundes. Beide Grundsatzbeschlüssen will die Verwaltung auf Nachfrage hin erstmal nicht fassen lassen – obwohl sie wichtig und eigentlich unumgänglich wären. Hier ist also wieder einmal ordentlicher politischer Druck erforderlich.
Auch sehr positiv war der neu geschaffene „Fahrradtag“, der den Kiewittmarkt im Frühjahr aufwertete. Auch, wenn die Veranstaltung nahezu komplett ins Wasser fiel, war sie doch gut besucht und wird am 13. April 2025 eine Neuauflage erfahren.
Eine positive Nachricht zum Jahresende gibt es aber doch noch: In der letzten Ratssitzung im Dezember wurde Jevers Klimaschutzmanagerin Jasmin Eilers als verantwortliche Person für die Umsetzung des Radfahrplans benannt. Bei ihr laufen ab sofort alle Fäden zusammen.
kurz zusammengefasst
Was könnte 2024 passieren?
Bau der Radabstellanlage am Graftenhaus
Bau der Radvorrangroute Richtung Schortens über Moorwarfen
Neuordnung des Radverkehrs in den Wallanlagen
Tempo 30 für die ganze Anton-Günther-Straße und die Adolf-Ahlers-Straße/Ziegelhofstraße
kleine Schritte beim Radwegbau Richtung Sandelermöns (oder auch nicht?)
Bürgerbeteiligung zur Schulwegsicherheit (Vision Zero)
Freigabe der Einbahnstraße an der Brauereimauer
Fahrradampel am Alten Markt
Neue:r Fahrradbeauftragte:r
Was könnte 2025 passieren?
Was passiert denn sonst im Jahr 2025? Für das nächste Jahr sind einige Maßnahmen im Haushalt eingeplant. Aus der Vergangenheit haben wir gelernt, dass davon möglicherweise nicht alles oder auch gar nichts umgesetzt wird.
Die Abstellanlage am Graftenhaus steht etwa zum fünften(!) Mal im Haushalt drin. Seit 2020 ist das Thema eigentlich beschlossen. Hier wird es langsam, aber sicher albern. Durch die bewilligte Förderung von etwa 91.000 EUR (75 % Förderquote) könnte aber tatsächlich etwas gebaut werden. Um die Förderung zu erhalten, muss die Maßnahme bis zum 31.12.25 abgeschlossen sein.
Wahrscheinlichkeit: 80%
Ebenfalls mit bewilligter Förderung (etwa 855.000 Euro/75 % Förderquote) ist die Radvorrangroute in Richtung Schortens über Moorwarfen (zum Artikel zu den ersten Planungen) ausgestattet. Mindestens bis zur Stadtgrenze beim Freibad könnte hier ausgebaut werden. Ab hier ist die Stadt Schortens zuständig, die dem Vernehmen nach zumindest im ersten Schritt bis zur Combi-Kreuzung ausbauen möchte. Auch hier gibt es eine Umsetzungsfrist bis zum 17.03.26.
Wahrscheinlichkeit: 80%
Auch etwas Bewegung könnte in den Bau des Radwegs an der L813 zwischen Cleverns und Sandelermöns kommen. Möglicherweise wird es hier zu Planungen oder sogar schon Grundstücksverhandlungen kommen. Hier warten die Beteiligten allerdings schon seit Jahrzehnten und es ist nicht auszuschließen, dass sie noch weitere Jahrzehnte warten müssen.
Wahrscheinlichkeit: 50%
Im Rahmen der Neugestaltung der Wallanlagen ist möglicherweise auch mit Veränderungen für den Radverkehr zu rechnen. Zwischen dem dann neu gestalteten Kiebitzplatz und der Einmündung St.Annen-Straße soll das Radfahren auf der Altstadtseite der Graften verboten werden und dafür ein Radweg auf der Hauptstraßenseite gebaut werden. Hier ist aktuell ein viel zu schmaler Gehweg der in beide Richtungen fürs Rad freigegeben ist. Fußgänger:innen werden dort in Zukunft dann nicht mehr laufen dürfen und der Radverkehr nicht mehr durch die Wallanlagen fahren. Beides wird in der Praxis wohl so nicht funktionieren. Die Planungen sind also abzuwarten, stehen aber so wie bisher bekannt der Verkehrsplaner-Einschätzung entgegen, der deutlich andere Maßnahmen empfiehlt.
Auch sind unter Anderem auch noch rechtliche Fragen zu klären: Wieso können wir als Stadt Jever an der Landesstraße Schützenhofstraße nichts am dringend sanierungsbedürftigen Radweg ohne die Straßenbaubehörde in Aurich machen, aber an der gleichen Landesstraße 500 Meter weiter einen komplett neuen Radweg bauen? Beteiligt sich das Land am neuen Radweg oder bauen wir auf eigene Kosten einen neuen Weg, der dann dem Land gehört? Oder bauen wir am Ende vielleicht gar keinen Radweg, sondern nur einen verbreiterten Gehweg, zünden somit eine weitere Nebelkerze und heizen den Konflikt zwischen Fuß- und Radverkehr weiter an? Und was nützt ein kurzer einseitiger Radweg, wenn es davor und danach weiter nur Gehwege gibt und der Radverkehr auf der Fahrbahn stattfinden soll?
Wahrscheinlichkeit: 30%
Etwas Bewegung könnte auch in unseren Grünen Antrag zum Thema Schulwegsicherheit/Vision Zero kommen. Hier sind Bürgerbeteiligungen mit den Schulen, Schüler:innen und Eltern geplant, so dass die Sicherheit der Schulwege deutlich verbessert werden kann. Ein Fachbüro soll unterstützen und wird in Zusammenarbeit mit den Betroffenen sicherlich viele gute Dinge erarbeiten, die dann allesamt nicht umgesetzt werden.
Wahrscheinlichkeit: 30%
In der Anton-Günther-Straße sollte durchgängig Tempo 30 auf der ganzen Strecke bis zum Bahnhof beschildert sein. Dies wurde schon länger gefordert und ist eigentlich auch schon in der Planung. Weitere Straßen, die ähnliche Voraussetzungen haben (z.B. die Adolf-Ahlers-Straße/Ziegelhofstraße), sollten dann ebenfalls überprüft werden.
Wahrscheinlichkeit: 80%
Die von Grünen und SPD beantragte Freigabe der Einbahnstraßen Theodor-Fetköter-Straße/Lohne an der Brauereimauer in Gegenrichtung für den Radverkehr könnte im Jahresverlauf Thema werden.
Wahrscheinlichkeit: 50%
Ebenfalls beantragt wurde die eine Fahrradampel am Alten Markt für Fahrten vom Markt in Richtung Amtsgericht. Hier darf man bisher nicht legal fahren.
Wahrscheinlichkeit: 50%
Nach dem Rücktritt von Ingo Borgmann als Fahrradbeauftragter wird sich eine neue Person dem Thema widmen. Die/der neue Fahrradbeauftragte:r soll dann auch als beratendes Mitglied in den entsprechenden Ausschüssen sitzen.
Wahrscheinlichkeit: 70%
Ich selbst habe mir auch Dinge vorgenommen, die ich in den politischen Beratungsgang einbringen möchte. Ganz wichtig ist mir die Situation für Radfahrende in der Mühlenstraße und Wittmunder Straße, wo ich bereits konkrete und einfach umsetzbare Ideen habe. Aber auch das Thema Fahrradparken steht auf dem Zettel. Weil der Radweg an der neu gebauten Einmündung Kolberger Straße so schlecht für den Rad- und Fußverkehr umgesetzt ist, sollten hier einmal grundsätzliche Dinge geregelt werden (durchgehende Rad- und Gehwege).
Wahrscheinlichkeit: 100%
Fazit
Ob etwas passiert ist erst wirklich klar, wenn die Bagger rollen. Vorher sollte alle Euphorie gebremst sein. Und selbst mit den geplanten Maßnahmen gilt: Alle Vorhaben sind erstmal nur Bruchstücke ohne erkennbaren Gesamtplan.
Es bleiben viele Fragen offen: Was passiert mit dem baufälligen Radweg an der Bahnhofstraße/Schützenhofstraße/Rahrdumer Str.? Wie bekommen wir Radwege an die Wittmunder Straße und Mühlenstraße? Sollen die Menschen dort weiterhin mit dem Rad auf der Fahrbahn fahren? Gibt es vielleicht eine andere Lösung? Gibt es weitere Standorte für überdachte Abstellanlagen wie beim Graftenhaus? Was ist mit dem Gehwegradeln in der Innenstadt? Gibt es weitere Tempo-30-Strecken an Stellen, wo sich Fahrräder und Autos die Fahrbahn teilen müssen?
Das sind eigentlich alles Fragen, die man zu Beginn des Projektes „Fahrradstadt“ hätte beantworten sollen. So arbeitet man planlos mit Einzelmaßnahmen vor sich hin und wundert sich am Ende, dass irgendwie doch nichts funktioniert.
Trotzdem: Optimisten können sich auf erste größere Verbesserungen an der Infrastruktur im Jahr 2025 freuen, Pessimisten warten lieber erstmal noch ab.
Quellen und weiterführende Links
Über den Autor
von Oliver de Neidels
Mein Name ist Oliver de Neidels, ich bin 1979 geboren und wohne seitdem in der friesischen Kleinstadt Jever. Ich bin selbständig und habe ein kleines Unternehmen, das Webseiten wie diese hier baut.
Außerdem engagiere ich mich in der Lokalpolitik und bin Mitglied des Jeverschen Stadtrats. Meine Lieblingsthemen sind die Verkehrswende im kleinstädtischen Maßstab und der Umbau zur „Stadt von Morgen“.